Der Werth der Werthe

>>Man nahm den W e r t h dieser "Werthe" als gegeben, als thatsächlich, als jenseits aller In-Frage-Stellung; man hat bisher auch nicht im Entferntesten daran gezweifelt und geschwankt, "den Guten" höherwerthig als "den Bösen" anzusetzen, höherwerthig im Sinne der Förderung, Nützlichkeit, Gedeihlichkeit in Hinsicht auf d e n Menschen überhaupt (die Zukunft des Menschen eingerechnet). Wie? wenn das Umgekehrte die Wahrheit wäre? Wie? wenn im "Guten" auch ein Rückgangssymptom läge, insgleichen eine Gefahr, eine Verführung, ein Gift, ein Narcoticum, durch das etwa die Gegenwart a u f K o s t e n d e r Z u k u n f t lebte? Vielleicht behaglicher, ungefährlicher, aber auch in kleinerem Stile, niedriger? . . . So dass gerade die Moral daran Schuld wäre, wenn eine an sich mögliche h ö c h s t e M ä c h t i g k e i t u n d P r a c h t des Typus Mensch niemals erreicht würde? So dass gerade die Moral die Gefahr der Gefahren wäre? . . .<<

(F. Nietzsche - Zur Genealogie der Moral)

Wer ist denn dieser "man" und wann hat dieser "man" überhaupt irgendetwas als gegeben genommen? Werthe konnten überhaupt nur instrumentalisiert werden (und bestimmt bezieht Nietzsche sich mitunter, wenn nicht ausschließlich auf das europäische Christentum, was ich aus den zuvor erwähnten Begriffen des "Mitleidens" und der "Selbstaufgabe" herzuleiten mir anmaße und der Erwähnung eines : was sonst? ein europäischer Buddhismus? - und weil ich weiß : keine Religion unterscheidet das Gute und das Böse so sehr wie das Christentum), weil diejenigen, welche die Werthe instrumentalisierten, sehr wohl wussten, dass diese nicht jenseits aller Fragwürdigkeit stehen. Deshalb mussten diese starren und ungeheuerlichen Dogmen geschaffen werden. Aber der Werth der Werthe ist vielleicht, unabhängig von Zwecken wie etwa der Aufrechterhaltung einer einmal geschaffenen Institution, um nur den vordergründigsten Grund zu nennen, ein Werth a priori. Das Gute ist gut, es fühlt sich gut an, es bewirkt Gutes. Und wenn nicht all diese Skeptiker, denen es stets so leicht fiel, etwas zu vernichten, ohne im selben Atemzug etwas zu erschaffen, - deren Schaffen viel mehr stets nur ein Vernichten war, - wenn diese Skeptiker unser Empfinden fürs und unser Vertrauen aufs Gute, wohl möglich schlimmer noch : unser Vertrauen, egal worauf, nicht so gänzlich ruiniert hätten, so dass nun die durch solch zerstörerisches Gedankengut verseuchte Gesellschaft im Ganzen, sowie der einzelne Mensch, unfähig ist, das Gute einfach anzunehmen, es weiters weiter zu tragen, wäre es um uns und alles vielleicht gar nicht so schlecht bestellt. An einer Formulierung jedenfalls, wie Nietzsche sie oben wagte, hätte auch ein gebürtiger Österreicher, der in der Mitte des 20. Jahrhunderts aus Deutschland heraus flächendeckend global wirkte, seine Freude gehabt.

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